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Und dann kam unsere Tochter: Warum es den perfekten Zeitpunkt für ein Baby meiner Meinung nach nicht gibt

SchwangerIch stellte mir lange vor, dass ich genau dann ein Baby bekomme, wenn ich bereit dazu bin. Das würde sich dann zu 100 Prozent richtig anfühlen, ich wäre megaglücklich und endlich angekommen. In der Realität wurde ich nach wenigen Monaten Beziehung schwanger. Die Schwangerschaft überrumpelte mich, stellte mein Leben auf den Kopf – und immer wieder dachte ich, was man eigentlich lieber nicht aussprechen möchte: Ich möchte dieses Baby nicht, nein, ich bin wirklich noch nicht bereit. Seitdem habe ich viel über den richtigen Zeitpunkt, um Eltern zu werden, nachgedacht. Gibt es diesen „richtigen“ Moment überhaupt? Kann man sich jemals wirklich bereit für eine Schwangerschaft fühlen? Im Folgenden versuche ich mich einer Antwort anzunähern.

Schwangerschaftstest positiv – oder: Hilfe, ich bin schwanger

Nachdem ich herausgefunden hatte, dass ich schwanger bin, merkte ich sehr deutlich: Ich möchte aktuell kein Baby und ich fühle mich nicht bereit. Aufgrund der Corona-Pandemie hatte ich nahezu keine Aufträge mehr als freie Journalistin, ich lebte in einer Einraumwohnung und war erst seit wenigen Monaten mit meinem Partner zusammen. Es hat im Anschluss monatelang gedauert, bis ich mich mit dem Gedanken anfreunden konnte, bald eine Mama zu sein.

Positiver TestIch betete die Schwangerschaft über, dass dieses Baby keinen Tag zu früh auf diese Welt kam, damit ich noch ausreichend Zeit hatte, um unsere neue (und erste gemeinsame) Wohnung einzurichten, die Erstausstattung zu shoppen – und in der Hoffnung, dass ich mich irgendwann doch bereit fühlen würde. Als sich meine Tochter zehn Tage nach dem errechneten Entbindungstermin auf den Weg machte, war ich einerseits erleichtert, um eine Einleitung herumgekommen zu sein, andererseits dachte ich aber auch: Okay, nun wird es ernst. Nach drei relativ entspannten Tagen im Krankenhaus standen wir einen Wimpernschlag später mit unserer neugeborenen Tochter in unserem Flur. Mein Partner und ich waren nun also eine Familie und würden sehr lange kein frisch verliebtes Pärchen mehr sein.

Das Baby ist da: Von frisch Verliebten zu Eltern

In den Wochen und Monaten nach der Geburt fühlte ich mich sehr oft vom Schicksal meiner alten Freiheit beraubt; wenngleich ich natürlich wusste, dass ich die Verantwortung für meinen positiven Schwangerschaftstest selbst trug. So schwer es mir damals fiel, es mir einzugestehen, so wichtig finde ich es, heute offen damit umzugehen: Ich wollte keine Mutter sein, ich wünschte mir mein altes, selbstbestimmtes Leben zurück. An vielen Tagen war mir mein Baby zu viel und ich trauerte um all die Paarzeit, die ich mit meinem Freund nur für wenige Monate hatte.

Zu diesem Zeitpunkt war ich mir absolut sicher: Mein Partner und ich hatten am komplett falschen Punkt in unserem gemeinsamen Leben ein Kind zusammen bekommen. Alles wäre einfacher, harmonischer und schöner gewesen, hätten wir doch nur besser aufgepasst, und uns ein, zwei Jahre später bewusst für ein Kind entschieden. Wirklich?!

Wann ist der richtige Zeitpunkt für ein Baby?

Bis zu meinem positiven Schwangerschaftstest lebte ich mit der Überzeugung, dass ich eine Schwangerschaft niemals planen wollen würde. Dass es doch viel toller ist, wenn man das Leben entscheiden und alles auf sich zukommen lässt. Nachdem ich dann genau auf diesem Weg zu meiner Schwangerschaft gekommen war, merkte ich, dass eben das überhaupt nicht so toll war, wie gedacht. Ich fühlte mich allein mit meinen Gefühlen und war überzeugt davon, dass alle anderen Schwangeren viel besser dran seien, weil sie sicherlich besser geplant und nicht so naiv gewesen waren wie ich.

FamilieHeute denke ich über den richtigen Zeitpunkt für ein Baby ganz anders. Ich habe andere Mütter und Eltern kennengelernt und mich viel zu diesem Thema ausgetauscht. Elternschaft kann sich auch dann erst einmal sehr intensiv anfühlen, wenn man sich länger ein gemeinsames Kind gewünscht hat. Oder man plant monatelang auf ein Baby hin, hat viele Entscheidungen bereits vor der Zeugung getroffen, und merkt: Es passiert nichts, die Schwangerschaft lässt auf sich warten. Hätten mein Partner und ich uns wirklich eines Tages aktiv für ein Baby entschieden, oder hätten wir uns vielleicht beim ersten größeren Streit wieder getrennt, wenn wir nicht so schnell Eltern geworden wären?! Egal, wie lange man vor der Schwangerschaft zusammen war, ein Kind verändert die Beziehung immer. Je länger die Beziehung dauert, desto stabiler ist wahrscheinlich ihr Fundament, und dennoch: Eine Garantie, dass deshalb alles einfacher und „schöner“ ist, bedeutet das nicht. Eine Familie werden benötigt meiner Meinung nach immer Arbeit in Form von ehrlicher Kommunikation. Man muss als Paar erst einmal wieder zueinanderfinden, was aufgrund von Schlafmangel, Stillproblemen, zu wenig Me-Time und Stress nach der Geburt dauern kann.

Jeder Moment kann passend sein – wenn man annimmt, was kommt

Selbst dann, wenn die äußeren Faktoren – also Arbeit, Wohnung, Partnerschaft – stimmen, kann mit einer Schwangerschaft alles anders werden. Es ist ein großes Wunder, wenn man schwanger werden darf, und heute würde ich sagen: Man muss auf keinen richtigen Zeitpunkt warten, weil es diesen vielleicht niemals geben wird. Jeder Augenblick kann der richtige sein, wenn man sich auf das, was kommt, einlässt. Das lässt sich sehr einfach sagen, und ist in der Realität häufig viel schwerer. Ich weiß, wovon ich schreibe, weil ich wirklich lange (unsere Tochter wird Ende des Monats drei Jahre alt) bis zu dieser Erkenntnis und dem Ankommen in meiner neuen Rolle benötigt habe.

Mit der Geburt unserer Tochter wurde noch ein weiterer Mensch neugeboren: ich selbst. Als ich bereit war, diese Tatsache anzunehmen, konnte ich auch die wertvolle Reise, die Mutter- und Elternschaft ist, zu schätzen lernen. Seitdem ich Mama bin, habe ich mehr über mich selbst gelernt als jemals zuvor. Ich habe Seiten von mir gesehen, die ich lieber niemandem gezeigt hätte. Aber ich habe auch eine Liebe erfahren, die ich so zuvor nicht kannte. Eine Mamaliebe, die erst wachsen musste.

Den einen „richtigen“ Moment, um Eltern zu werden, gibt es nicht – und das ist okay

Mutterschaft ist ambivalent. Wut, Trauer, Überforderung, Freude, Liebe und Fülle liegen nah beieinander, überlagern sich manchmal sogar. Wer aktuell schwanger ist, und Angst vor einem Leben mit Kind hat, wer überlegt schwanger zu werden, aber unsicher ist, ob der Zeitpunkt passt, oder wer kürzlich ein Kind bekommen hat, und es sich doch ganz anders vorgestellt hat, dem möchte ich sagen: Ihr seid genug. Zweifelt nicht an Euch. Man wird nicht schwanger und ist Mutter oder Eltern – der Prozess, um in seine neue Rolle hineinzuwachsen darf dauern.

Es kann den einen richtigen Zeitpunkt für ein Baby nicht geben, weil man naturgemäß überhaupt nicht wissen kann, was, vor allem an Gefühlen, auf einen zukommt. Ich bin dem Schicksal heute unendlich dafür dankbar, dass diese eine – meine und unsere – Tochter in mein Leben kam. Von der ich so viel lernen kann, und die mein größter Motor ist, was meine persönliche Weiterentwicklung angeht. Und: Mit der das Leben so viel mehr im Jetzt stattfindet und sich tiefer und wahrhaftiger anfühlt als je zuvor.


Verfasser/in: Lisa Bierbauer. Ich bin Lisa und Mama einer dreijährigen Tochter. Nach der Geburt hat es lange gedauert, bis ich mein Leben als Mutter annehmen und aufrichtig lieben konnte. Ich schätze es heute deshalb einmal mehr, mich ehrlich auszutauschen. Wenn man als Neu-Mama und Schwangere eines braucht, dann ist es ein authentischer Einblick in die Gefühlswelt und den Alltag von anderen Müttern. Wir lieben, sind wütend, zweifeln, freuen uns, sind gestresst, streiten, haben Ängste, könnten platzen vor Stolz und wollen manchmal einfach nur allein aufs Klo ­– es gibt so viele ambivalente Gefühle, die das Elternleben ausmachen. Ich freue mich, ein bisschen von dem, was ich erlebe und erfahren habe, mit Euch zu teilen.

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