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Attachment Parenting – Bindungsorientiertes Leben mit Kindern

Viele Psychologen und Experten sind sich einig, dass es die eine allgemeingültige und beste Methode zur Kindererziehung nicht gibt. Jedes Kind und jede Familie ist individuell und hat ihre eigenen Rahmenbedingungen, Ziele und Wünsche. Die Prinzipien des „Attachment Parenting“ (AP) gehören zu den relativ jungen Trends in Deutschland.
Der amerikanische Kinderarzt William Sears ist selbst achtfacher Vater und hat in den Jahren 1982–1985 zusammen mit seiner Frau Martha Sears den Grundstein für die Methode „Attachment Parenting“ gelegt. Er meint, dass die Kindererziehung besonders erfolgreich ist, wenn Eltern eine möglichst starke Bindung zu ihren Kindern aufbauen, indem sie ihr Leben ganz nach den kindlichen Bedürfnissen ausrichten.

Von Geburt an

Die Grundlage des Attachment Parenting ist das sogenannte „Babyreading“, also das Lesen der Signale des Babys durch die Mutter. Diesen Ansatz verfolgen Anhänger des Attachment Parenting bereits direkt nach der Geburt. Wie lange ein Kind nach den Regeln des AP erzogen wird, bleibt jeder Familie selbst überlassen. Grundsätzlich können gewisse (an das Alter des Kindes angepasste) Prinzipien auch noch in der Pubertät angewendet werden.

Die wichtigsten Maßnahmen des AP

(1) Inniger Körper- und Augenkontakt zwischen Baby und Mutter direkt nach der Geburt
Eine intensive Phase der Kontaktaufnahme zwischen Mutter und Baby direkt nach der Geburt stellt den ersten Schritt für die Entwicklung einer festen Beziehung zueinander dar. Haut an Haut kuschelt es sich am besten und vermittelt Geborgenheit.

(2) Stillen nach Bedarf und Verzicht auf Fläschchennahrung
In den ersten sechs Monaten sollte ein Baby ausschließlich Muttermilch erhalten und zwar wann es möchte und wie oft es möchte. Anschließend soll die Mutter so lange weiter stillen, wie ihr Kind danach verlangt – selbst wenn es dann bereits laufen kann oder sogar das Kindergartenalter erreicht hat. Das Zufüttern von Fläschchennahrung ist erst ab dem 7. Lebensmonat erlaubt.

(3) Enger Körperkontakt und Schlafen im Familienbett
Enger Körperkontakt durch das ständige Tragen des Kindes in einem Babytragetuch macht laut Attachment Parenting ein Kind glücklich und zufrieden, da es ihm auf diese Art und Weise möglich ist, den gesamten Tagesablauf der Eltern mitzuerleben. Zudem trainiert es dabei Sprache und Gleichgewichtssinn. Das gemeinsame Familienbett gewährleistet die Nähe auch nachts und erleichtert das Stillen für die Mutter.

(4) Konzentriertes Beobachten der kindlichen Signale, um jedem Schreien zuvor zu kommen
Eltern sollen frühzeitig auf Alarmsignale achten, damit ihr Baby möglichst wenig schreien muss. Einfühlsame Rückmeldungen der Eltern auf das Unwohlsein des Kindes und die Vermittlung des Wissens, dass viele Ereignisse keiner Aufregung wert sind, sind die zentralen Ansatzpunkte der „Schreivermeidung“.

(5) Ein No Go: Schlaftraining à la Ratgebern wie „Jedes Kind kann schlafen lernen“
Schlaftraining ist bei AP-Eltern verpönt. Ein Baby, das schreien soll, bis es vor Erschöpfung einschläft und eine Mutter, die dadurch emotional verhärtet, sind absolute No Go’s beim Attachment Parenting.

(6) Ausbalancieren der Bedürfnisse von Mutter und Kind
William Sears gibt zu bedenken, dass AP-Mütter durch ihre ständige Präsenz gegenüber dem Kind und die zusätzliche Belastung Burnout-gefährdet sind. Seine Frau und er empfehlen deshalb, das Attachment Parenting mit Maßnahmen wie strikter Aufgabendelegierung, einem rationalisierten Tagesablauf und eventuell psychologischer Betreuung zu begleiten.

Befürwörter und Gegner

Ein Erziehungskonzept wie Attachment Parenting erhitzt natürlich die Gemüter, Befürworter und Gegner liefern sich seit Jahren heiße Diskussionen. Einige Argumente der gegnerischen Parteien sind:

Befürworter des AP
Eine starke Bindung stärkt das Kind fürs Leben – Kinder können sich auf ihre Eltern verlassen – Stillung des Grundbedürfnisses nach Nähe fördert seelische Stabilität und das Selbstbewusstsein – Kinder wachsen entspannter auf, weil sie sich „ihrer Eltern sicher“ sind

Gegner des AP
Kinder werden verwöhnt – macht Müttern ein chronisch schlechtes Gewissen bis hin zu starken Unzulänglichkeitsgefühlen und Versagensängsten – führt zu Burnout bei der Mutter – schwer vereinbar mit Berufstätigkeit – macht Mütter zur Sklavin des Kindes – Zurückdrängen der Mutter in eine sehr traditionelle Frauenrolle – durch 24-Stunden-Betreuung des Kindes verkümmert seine Neugier, die Welt selbst zu entdecken – Gefahr, dass Kinder unselbstständig werden, ist sehr groß – Respekt vor Bedürfnissen der Eltern ist schwach ausgeprägt

So kann AP in der Praxis ohne Burnout-Gefahr funktionieren

Eine Vielzahl an Pädagogen rät von der 100 %igen, perfektionistischen Umsetzung von Attachment Parenting in der klassischen Kleinfamilie ab, da sie tatsächlich leicht zum Burnout führen kann. Eltern können sich jedoch für AP entscheiden, wenn sie die Richtlinien an ihren eigenen Vorstellungen und Wünsche anpassen. Fakt ist nämlich, dass Bindung, Geborgenheit und Nähe allen Kindern gut tut.

Unterstützung und Selbstverwirklichung

AP-Eltern fällt die Umsetzung des Erziehungskonzepts leichter, wenn sie viel Unterstützung erfahren, sei es im Haushalt oder im Job. Wenn sie sich zudem vom Gedanken verabschieden, ihre komplette Zeit mit dem Kind verbringen zu müssen, kann AP sehr gut funktionieren. Selbst William Sears versichert berufstätigen Müttern, dass vier bis fünf Stunden pro Tag zum Tragen des Kindes ausreichend sind.

Nicht alle Prinzipien müssen erfüllt werden

Manch eine Mutter einfach kann nicht Stillen und viele Väter möchten ebenfalls am Attachment Parenting teilnehmen. Liebevolle Zuwendung, echte Aufmerksamkeit, Einfühlungsvermögen und eine innere Balance sind ebenso wichtig wie Stillen nach Bedarf oder das Familienbett und können das eine oder andere Prinzip, das für eine Familie (aus welchem Grund auch immer) nicht praktikabel ist, ersetzen.

Verschiedene Wege führen zu einer engen, stabilen Eltern-Kind-Bindung

Genauso, wie nicht komplett alle Prinzipien des AP umgesetzt werden müssen, können auch bewährte Methoden aus anderen Erziehungsmethoden integriert werden. Wichtig ist nur, dass jede Familie ihren eigenen, zu ihr passenden Lebens- und Erziehungsstil findet, dass es dabei jedem Familienmitglied gut geht und dass Zufriedenheit und Familienglück oberste Priorität haben.


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